VON DEN URSPRÜNGEN BIS ZUM MITTELALTER
Der Ursprung des bewohnten Stadtzentrums ist nicht vollständig geklärt, aber es scheint, als ob die ersten Pfahlbauten am alten See Tiberino entstanden sind, der heute nicht mehr besteht. Die archäologischen Funde bezeugen das Bestehen eines Dorfes eines oskisch-umbrischen sowie eines samnitischen Stammes seit dem 1. Jahrtausend v. Chr., dessen Name Tifernum lautete und das über Jahrhunderte derart stark war, dass der Vorstoß der Etrusker in das Gebiet zerschlagen wurde. Città di Castello ist noch heute die wichtigste Stadt des Tales Alta Val Tiberina, ein Gebiet, das in der Antike konstant Gegenstand von Kämpfen zwischen den angrenzenden Völkern aus Umbriern und Etruskern war. Im 7. Jahrhundert v. Chr. war Tifernum ein reicher, autonomer und unabhängiger Ort, der Handelsbeziehungen zu den Etruskern und allen angrenzenden Völkern unterhielt ohne von diesen beherrscht zu werden.
Erst im 3. Jahrhundert v. Chr., etwa ab dem Jahr 283, verlor das Städtchen seine Autonomie und wurde infolge der Schlacht Battaglia di Sentino Teil des römischen Besitzes. Dabei wurde ihr name auf Tifernum Tiberinum abgeändert. Unter der neuen Rechtsprechung erlebte die Stadt einen Zeitabschnitt des Wachstums und der Blüte, vor allem aus architektonischer Sicht. Diese positive Zeit erreichte ihren Höhepunkt im 1. Jahrhundert v. Chr, als Plinius der Jüngere, der in Tifernum eine private Villa besaß, auf eigene Kosten zahlreiche öffentliche Gebäude errichten ließ.
Unter der Herrschaft von Diokletion wurde Tifernum im 3. Jahrhundert n. Chr. Teil der Provinz
„Tuscia et Umbri“„, die der römischen Rechtsprechung vollständig unterstand. So wurde in der Region das Christentum verbreitet. Crescentianus von Città di Castello, der einer Legende zufolge von Diokletian selbst in Pieve dè Saddi, im Südosten der heutigen Stadt, gefoltert wurde, gilt als Schlüsselfigur der christlichen Predigten in der Stadt und wird heute als Heiliger Crescentianus verehrt.
Der erste Bischof der Stadt war hingegen Eubodio, der das Schicksal des Ortes im 5. Jahrhundert lenkte, bevor sie von den Goten Totilas vollständig dem Erdboden gleich gemacht wurde. Auf dem Schutt der ehemaligen Stadt Tifernum wurde dank des Einsatzes von Bischof Florido, Patron der Stadt, ein neuer Ort errichtet und befestigt, der den Namen Castrum Felicitatis erhielt und zwischen dem 8. und dem 10. Jahrhundert in Castellum Felicitatis sowie später in Civitas Castelli umbenannt wurde, in den direkten Vroläufer des heutigen Namens: Città di Castello.
ZEITALTER DER KOMUNEN UND DYNASTIE DER VITELLI
Ab dem 9. Jahrhundert erlangte Città di Castello politische Autonomie und wurde zu einem strategischen Ort der Region. Umkämpft von Perugia sowie vom Kirchenstaat, einmal den Guelfen anhängig, einmal den Ghibellinen anhängig, wurde von beiden Mächten in kurzen Zeitabständen abwechselnd beherrscht. Nach einer kurzen Regentschaft der Guelfen eroberten 1326 die Gebrüder Tarlati (Guido, Bischof von Arezzo, und Pietro, auch Saccone genannt) die Stadt und beherrschten sie bis zum Volksaufstand im Jahr 1335, bei dem sie dank der Unterstützung Perugias geschlagen wurden. Wenige Jahre später, im Jahr 1350, beanspruchte Perugia den Besitz von Città di Castello, hatte dabei jedoch wenig Erfolg, denn nur ein Jahr später schlugen die Einwohner der Stadt zurück und erlangten ihre Freiheit wieder. Im Jahr 1422 war Braccio, großer Feldherr der Familie Fortebracci da Montone, an der Reihe, der nach einem erbitterten Kampf und mit der politischen Hilfe der Kirche Città di Castello an sich reißen und die Stadt bis 1428 beherrschen konnte. Ab diesem Zeitpunkt bliebt die Stadt für gut ein Jahrhundert unter der Herrschaft des Kirchenstaates. Dabei kam es zu internen Kämpfen zwischen den Adelsfamilien des Ortes, insbesondere zwischen den Giustini und den Vitelli, wobei letztere schließlich erfolgreich waren und eine städtische Herrschaft aufbauen konnten, die bis hin 16. Jahrhundert andauerte. Im Jahr 1474 erlitt die Stadt die bekannte achtzigtägige Belagerung durch die Truppen von Papst Sixtus IV. Bei dieser Gelegenheit wurde Niccolò Vitelli geschlagen und dazu gezwungen die Stadt zu verlassen. Er wurde auf Anordnung des Papstes für gut acht Jahre ins Exil nach Urbino verbannt. Im Jahr 1482 befreite der alte Herr unterstützt von einem Volksaufstand und von den Medici die Stadt und erhielt so den Beinamen “Vater der Heimat”. Neben ihrem politischen Einsatz ist der Dynastie der Vitelli auch die kulturelle Bereicherung von Città di Catello zu verdanken. Die umbrische Gemeinde wurde dank des Mäzenats ihrer Herrscher zu einer kleinen toskanischen Insel betreffend künstlerische und architektonische Formen. Während des gesamten 16. Jahrhunderts waren bekannte Künstler wie Ghirlandaio, Luca Signorelli, Vasari, Raffael, Gentile da Fabriano und Rosso Fiorentino im Auftrag der Vitelli in der Stadt tätig und schufen eine gehobene und helle Atmosphäre, vor deren Hintergrund auch die Kunst der Druckerei entstand, die auf das Jahr 1538 sowie auf Magister Mazzocchi zurückgeht.
DIE MODERNE
Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts verlor die Stadt trotz des Mäzenats der Vitelli ihre Autonomie und fiel endgültig unter die Herrschaft des Kirchenstaates. Diese dauerte bis zum Einfall der Franzosen im Jahr 1798 an. Die napoleonischen Truppen besetzten die Stadt ein Jahr lang, bevor sie vom Kirchenstaat zurückgeschlagen wurden. Im Jahr 1809 kehrten die napoleonischen Truppen wieder zurück und diesmal besiegten sie ihre Gegner, wodurch es ihnen Gelang Città di Castello bis zum Zerfall des Ersten Kaiserreichs im Jahr 1814 zu beherrschen. Dabei verlor die Stadt einen ihrer künstlerischen Schätze: „Lo sposalizio della Vergine“ („Die Vermählung der Jungfrau Maria“) von Raffael wurde von den französischen Truppen entwendet und der Stadt nicht mehr zurückgegeben. Erst nach jahrelangen Verhandlungen konnte die Rückführung des Bildes nach Italien erfolgen, das heute in der Galerie Galleria di Brera verwahrt wird.
An den ersten Bewegungen der Renaissance nahm Città di Castello aktiv teil und gründete 1831 ein Comitato Provvisorio. Im Jahr 1860 wurde die Stadt teil des Königreichs Italien.
Heute ist die Stadt das wichtigste und am dichtesten bevölkerte Zentrum des Tales Alta Valle del Tevere. Dies ist dem reichen historisch-künstlerischen Erbe sowie den lebendigen Veranstaltungen in der Stadt zu verdanken, denn dadurch zieht sie Jahr für Jahr ganzjährig zahlreiche Touristen an.